Die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz mit den Instituten Wirtschaftsinformatik – Software Engineering und Machine Learning sowie die Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum und das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen FiveSquare arbeiten an einem weltweit einzigartigen Verfahren zur Epilepsieprognose.
In Oberösterreich leiden rund 8.000 Menschen an Epilepsie, österreichweit zählen wir etwa 60.000 Betroffene. Alle zwei Stunden erkrankt ein Mensch neu. Weltweit leiden ca. 50 Millionen Menschen an dieser chronisch neurologischen Erkrankung. Epilepsie tritt in jedem Lebensalter auf. Das Risiko, an Epilepsie zu erkranken, ist bei Kindern und Jugendlichen und bei über 65-Jährigen am Größten. Die Auslöser von Epilepsie sind vielfältig, z.B. Sauerstoffmangel in Folge von Geburtskomplikationen, Missbildungen des Gehirns, genetische oder stoffwechselbedingte Gründe, Schlaganfälle, Hirntumore oder Hirnverletzungen.
Es kann also jeden treffen. Einem Großteil der Betroffenen kann durch medikamentöse Behandlung gut geholfen werden. In der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum behandeln die Expertinnen und Experten jene Betroffene, die nicht auf die erste medikamentöse Behandlung ansprechen. Dabei werden auch Abklärungen zu epilepsiechirurgischen Verfahren durchgeführt. Ein Teil der Patientinnen und Patienten bleibt aber trotz aller Anstrengungen therapieresistent, d.h. die Anfälle können nicht vollständig kontrolliert werden. Bei diesen medikamentenresistenten Epilepsien bleiben die Betroffenen oft isoliert zurück, sind im Alltags- oder Arbeitsleben häufig eingeschränkt und dürfen z.B. nicht mit dem Auto fahren, weil die Gefahr eines plötzlichen Anfalls ein zu großes Risiko darstellt.
Wie kann man diesen Menschen helfen? Gibt es Anzeichen, die einen bevorstehenden Anfall ankündigen, sodass geeignete Gegenmaßnahmen getroffen werden können – etwa eine sichere Umgebung aufsuchen? Die Anzeichen sind schwer zu erkennen: Epilepsie-Begleithunde schlagen beispielsweise unmittelbar vor einem Anfall an. Es ist jedoch unklar, was sie wahrnehmen. Mutmaßungen gehen von akustischen Reizen aus (z.B. von einer Verlangsamung der Atemgeschwindigkeit), es könnte aber auch ein spezieller Geruch sein, den die Hunde wahrnehmen, oder eine Verhaltensänderung. Eine Veränderung der Sauerstoffsättigung oder ein Anstieg des cerebralen Blutflusses werden in der Literatur als weitere Indikatoren für einen bevorstehenden Anfall gehandelt.
Die Veränderung von bestimmten Vital- oder Verhaltensparametern kann also zur Prognose von epileptischen Anfällen (außerhalb der Krankenhausumgebung) herangezogen werden. Wenn es gelingt, alle essenziellen Parameter im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen über ein Sensornetzwerk mobil (d.h. mit Wearables) zu erfassen, dann könnte darauf aufbauend mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) ein Vorwarnsystem für Epilepsie entwickelt werden. Mit hochmodernen Deep-Learning-Verfahren können die gemessenen Parameter ausgewertet und aus ihnen gelernt werden. Letztendlich will man damit bestimmte Muster identifizieren, die auf sogenannte präiktale Zustände schließen lassen und damit einen bevorstehenden Anfall anzeigen können.
Ein Forschungsprojekt der vom Land Oberösterreich geförderten Initiative „Digital Health – The Digital Patient Journey“ (abgewickelt von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG) beschäftigt sich mit diesem Thema. Die JKU Linz mit den Instituten Wirtschaftsinformatik – Software Engineering und Machine Learning sowie die Klinik für Neurologie 1 am Kepler Universitätsklinikum und das auf Künstliche Intelligenz spezialisierte Unternehmen FiveSquare arbeiten in einem zweieinhalbjährigen Forschungsprojekt gemeinsam an weltweit einzigartigen Verfahren zur Epilepsieprognose. Zum Einsatz kommen neueste Methoden des Machine Learnings, mit denen im Rahmen einer Patientinnen-/Patientenstudie die Prognosequalität revolutioniert werden soll. Ziel dieses Forschungsprojekts ist die Entwicklung eines mobilen Systems zur Vorhersage und Erkennung von epileptischen Anfällen, mit dem Menschen, die an Epilepsie leiden, ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen können.
Digitalisierung in der Medizin beinhaltet neu gedachte Arten der Behandlung. Zusammen mit der Expertise aus KI und Software-Entwicklung von der JKU und dem Start-up Five Square können wir diese innovativen Ideen dank der Förderung des Landes Oberösterreich zur Realität werden lassen. Damit haben wir das Potenzial die Behandlung der Epilepsie von Grund auf zu verändern, für mehr Sicherheit und optimalen Behandlungserfolg.
Tim J. von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1
Das interdisziplinäre Team setzt sich zusammen aus (v. l. n. r.):
Weitere Bilder und Details finden Sie im Artikel Epileptische Anfälle mit Künstlicher Intelligenz vorhersagen – geht das? der Medizinischen Fakultät der JKU.