Am Samstag, den 1. Februar 2020, wird von 10.00 bis 14.00 Uhr zum sechsten Mal der Patienten-Krebskongress des Kepler Universitätsklinikums im Ausbildungszentrum am Med Campus V. stattfinden. Die Veranstaltung richtet sich an Betroffene, Angehörige und Interessierte.
„In unserer immer älter werdenden Gesellschaft stellen Krebsleiden absehbar das führende Gesundheitsproblem und Todesrisiko dar,“ sagt Univ.-Prof. Dr. Clemens A. Schmitt von der Medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität und Vorstand der Universitätsklinik für Hämatologie und Internistische Onkologie gemeinsam mit dem Vorstand der Universitätsklinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, ebenso von der Medizinischen Fakultät der JKU, Univ.-Prof. Dr. Peter Oppelt, dessen Oberarzt Dr. Lukas Angleitner-Boubenizek Organisator des Patienten-Krebskongresses ist.
Die Zunahme an Krebsdiagnosen sei allerdings auch der verbesserten Diagnostik zuzuschreiben, durch die manche Tumoren bereits zu einem so frühen Zeitpunkt erkannt werden könnten, sodass sie durch lokale Therapieverfahren noch deutlich erfolgreicher behandelbar sind. Vorbeugung durch Vermeidung krebsfördernder Faktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum oder Verzehr von rotem Fleisch sowie die Verbesserung der körperlichen Fitness durch aktive sportliche Betätigung seien neben Krebsvorsorgeuntersuchungen, z.B. bei Dickdarmtumoren oder gynäkologischen Krebsarten, wesentliche Beiträge, die wir alle selbst leisten können.
„Wenn Tumorleiden mehr als eine rein chirurgische Vorgehensweise – mit oder ohne zusätzlicher Strahlentherapie – erfordern, also einer medikamentösen Systemtherapie bedürfen, rückt der individuelle molekulare Tumor-Bauplan immer mehr ins Zentrum des diagnostischen Interesses, da sich aus dieser Information womöglich Ansätze für ‚maßgeschneiderte‘ zielgerichtete Therapien ableiten lassen,“ erklärt Univ.-Prof. Dr. Schmitt.
Hierzu werden je nach Krebsart konkrete Marker im Tumorgewebe durch spezielle Färbetechniken bestimmt und häufig zusätzlich sogenannte „Nächst-Generations“-Sequenzierverfahren angewendet, mit Hilfe derer Mutationen, also Genveränderungen in den Tumorzellen, aufgedeckt werden können, die aus normalen Genen Treiber, quasi „Motoren“, des Tumorwachstums machen und die daher potentielle Zielstrukturen für moderne, nach dem „Schlüssel-Schloss“-Prinzip angelegte Therapien darstellen.
Als eines der ersten solchen zielgerichteten Therapeutika kam ein Wirkstoff im Kepler Universitätsklinikum zur Anwendung, der eine bestimmte Blutkrebsform an ihrer Treiber-Mutation so effektiv angreift, sodass diese zuvor nur schwer und belastend zu behandelnde, häufig tödliche Erkrankung bei den meisten Patientinnen bzw. Patienten anhaltend nicht mehr nachweisbar ist. Leider lassen sich nicht alle Tumorerkrankungen so scheinbar einfach und nachhaltig unter Kontrolle bringen. Die allermeisten Krebsleiden sind mit keiner so alleinig führenden Treibermutation vergesellschaftet, sodass deren gezielte Blockade das Tumorwachstum langfristig aussichtsreich unterbinden werden könnte. Daher müsse es darum gehen, nicht nur einzelne
Gen-Defekte und Gen-Fehlregulationen, sondern eigentlich das gesamte Netzwerk gestörter Gen-Verschaltungen im individuellen Tumor zu begreifen, um es zeitgleich an mehreren kritisch verwundbaren Punkten medikamentös so geschickt zu attackieren, sodass die Tumorzellen entweder absterben oder sich nicht mehr vermehren können. Eine Herkules-Aufgabe, wie der Krebsmediziner findet, doch seien derartige Untersuchungen zumindest im Ansatz vorstellbar und zeigten, dass bei Tumoren derselben Art – beispielsweise Brustkrebs oder Lungenkrebs – oft nicht nur die eine oder andere Mutation bei vielen betroffenen Patientinnen bzw. Patienten gefunden wird, sondern tatsächlich ganze Netzwerke in ähnlicher Weise gestört sind. Umgekehrt lieferten Tiefenanalysen aber auch Hinweise für wichtige funktionelle Unterschiede dieser Fehlsteuerung von Person zu Person derselben Krebsart und mit durchaus überlappenden Mutationsbefunden feine Unterschiede, die dann nicht selten mit Erfolg bei dem einen und Misserfolg bei einem anderen Patienten unter derselben medikamentösen Systemtherapie einhergingen.
„Hier haben wir erkannt“, erläuterte der Krebsspezialist vom Kepler Universitätsklinikum weiter, „dass uns nur große Daten-Sammlungen, sogenannte ‚Big Data‘-Ansätze, wirklich helfen können, Licht ins Dunkel zu bringen“.
Dabei interessieren sich interdisziplinäre Forscherteams unter Beteiligung vor allem von klinischen Onkologen, Molekularbiologen, Bioinformatikern und Pharmakologen für Zusammenhänge, die händisch bzw. mit einfacher Computer-basierter Datenanalyse gar nicht mehr erfassbar sind. Diese Zusammenhänge sowie ihnen zu Grunde liegende Muster zu erkennen, um sie dann in hypothetische Funktionsmodelle zu übersetzen, ist Aufgabe des maschinellen Lernens und ultimativ eine so gewaltige Herausforderung, dass ihr nur mit Methoden der Künstlichen Intelligenz beizukommen ist. Gleichsam verbergen sich in dieser enormen Datenfülle aus molekularer Sequenzier-Information, weiteren Tumormarkern und zusätzlichen klinischen Funktionsparametern des einzelnen Patienten nie gekannte Möglichkeiten, die individuell wirksamste und dabei möglichst wenig nebenwirkungsbehaftete Therapie rational auszuwählen.
Doch hier warnt Univ.-Prof. Dr. Schmitt vor allzu großer Euphorie, zu hohen Erwartungen und raschen Erfolgsstorys: „Wir stehen erst am Anfang dieser Entwicklung und müssen noch viele Hürden nehmen. Mittelfristig werden wir aber mit dieser Strategie sicher Erfolg haben. Bisher noch als eine einzige Erkrankungsart verstandene Tumorarten werden sich in zahlreiche Unterklassen aufgliedern lassen, die dann mit jeweils unterschiedlichen zielgerichteten Kombinationstherapien viel wirksamer angegriffen werden können“.
Auch bei den sogenannten „Immun-Onkologika“-Therapien, die das Immunsystem der Patientin bzw. des Patienten aktiv beteiligen, es wieder „scharfstellen“ oder gar als außerhalb des Körpers genetisch manipulierte „Super-Immunzellen“ den Patientinnen und Patienten zur Tumorbekämpfung wieder zurückgegeben werden, sind ‚Big Data‘ zur Therapiewahl und Abschätzung der Wirksamkeit von zentraler Bedeutung. Denn auch hier zeichne sich ab, dass die die Tumorzellen wie einen fremden mikrobiellen Eindringling immunologisch angreifenden Therapieprinzipien nicht unabhängig von weiteren molekularen Merkmalen auf der Tumorzell-Oberfläche oder im Tumorzell-Inneren funktionierten, also umgekehrt auch hier molekulare Profile und Netzwerk-Fehlsteuerungen über Wirksamkeit oder Versagen dieser Therapien mitentscheiden würden.
„Deswegen versprechen wir uns von der Durchleuchtung genetischer und immunologischer Großdatenmengen auch für die Immun-Onkologika wesentliche Einsichten in die Spielregeln ihrer therapeutischen Effektivität bzw. zugrundeliegender Resistenzmechanismen“, erklärte der Onkologe und prophezeite, dass für die Kombination zielgerichteter Wirkstoffe mit Immun-Onkologika noch komplexere Bauplan-Wirk-Beziehungen zu durchdringen seien, die ohne „Big Data“ und Maschinenlernen kaum mehr verstehbar bzw. auflösbar wären.
Nicht alle Fragen der „personalisierten Krebsbehandlung“ könnten allerdings mit dem Computer gelöst werden. Zwar sei die Künstliche Intelligenz gegenwärtig in aller Munde, doch bedürfe es solider Grundlagen- und angewandter translationaler Forschung, um molekulare Mechanismen und funktionelle Beziehungen zwischen krankhaften Tumorzellen, gesundem Gewebe und Immunsystem wirklich zu begreifen. „Obwohl heute Patientenmaterial durchaus für manche Fragestellung in der Zellkulturschale zielführend untersucht werden kann, würde sehr wahrscheinlich auch die Behandlung von Patienten-Tumorproben in geeigneten Mausmodellen zur direkten Prüfung der bestmöglichen Wirksamkeit verschiedener moderner Therapie-Alternativen mittelfristig für die personalisierte Spitzenmedizin eine Rolle spielen,“ meint Univ.-Prof. Dr. Schmitt. Hier müsse natürlich gut abgewogen werden, was medizinisch-technisch möglich und gesellschaftlich gewollt und gewünscht sei.
Damit spricht der Universitätsvertreter auch direkt etwaige Patientensorgen zu „Big Data“ an:
„Wir wollen beim Patienten-Krebskongress nicht nur informieren, sondern auch zuhören und diskutieren“, sagt Univ.-Prof. Dr. Schmitt abschließend. „Wir wollen die persönlichen Sorgen und Ängste verstehen, die Patientinnen und Patienten mit der Krebsdiagnose verbinden und dabei lernen, wo besser aufgeklärt und manches auch transparenter oder grundsätzlich anders gemacht werden muss." Aus der eigenen täglichen Praxis wisse er aber auch zu berichten, dass sich viele Patientinnen und Patienten wünschen, mehr zum eigenen Genesungsprozess beitragen zu können – und dieser Beitrag sich nicht in körperlicher Betätigung und bewusster Ernährung erschöpfe, sondern auch beispielsweise regelmäßige Rückmeldungen zur aktuellen Befindlichkeit mittels Smart-Phone sein können. „In jedem Fall können wir einen bunten und spannenden Patienten-Kongress am 1. Februar versprechen, bei dem Experten aller großen Fachgebiete neueste Erkenntnisse zu den wichtigsten Tumorleiden vermitteln und für Fragen aus der Zuhörerschaft sowie später während einer Imbissmöglichkeit auch in kleineren Kreis zu Verfügung stehen werden“, so der Krebsexperte.
Samstag, 1. Februar 2020
10.00 bis 14.00 Uhr bei freiem Eintritt
Kepler Universitätsklinikum, Ausbildungszentrum am Med Campus V., Mehrzwecksaal
Krankenhausstraße 26–30, 4020 Linz
Gerne stellen wir Ihnen auch das Veranstaltungsplakat zum 6. Linzer Patienten-Krebskongress zur Verfügung.
Wir freuen uns über Ihren Besuch!