Peri- und präoperative Reduktion von Angstzuständen bei Herzoperationen
von Mag. Dr. Raphael Oberhuber, Klinischer Psychologe und Gesundheitspsychologe
1. Ausgangspunkt
In den USA werden seit mehreren Jahrzehnten Patientinnen und Patienten, vor allem auch Kindern vor schwierigen medizinischen Eingriffen psychologische Vor- und Nachbereitungsmaßnahmen zuteil: Einerseits um Angst zu reduzieren und andererseits mit postoperativem Unbehagen und Schmerzen besser umgehen zu lernen. Das in diesem Bereich ins Hintertreffen geratene europäische wissenschaftliche Umfeld wurde durch das vorliegende Forschungsvorhaben aktualisiert und konnte darüber hinaus mit einer völlig neuen Differenzierung in der Vorbereitung Innovation erfahren, um der Forderung der Wissenschaft gerecht zu werden. Bislang gibt es keinerlei vergleichbare Studien dieses Ausmaßes im deutschsprachigen Raum.
2. Ziel des Forschungsvorhabens, Interventionsmaßnahmen
Das Ziel dieses Projekts war es, Angst und psychisches Unbehagen von Kindern, die sich einer Herzoperation zu unterziehen haben, zu minimieren. Angemessen am aktuellen Forschungsstand (vgl. Abbott 1990, Betz 1995, Block 1995, Burker 1995, Campbell 1995, Davis 1994, Doty 1997, Manyande 1995, Oxman 1995, Rasnake 1989, Salmons 1992, Saile 1992, Schmidt 1992, Stinson 1995, Wallace 1995) wurden in der Studie an der Kardiologie der ehemaligen Landes-Kinderklinik Linz jenen kleinen Patientinnen und Patienten im Alter von 3 bis 14 Jahren differentielle psychologische Vorbereitungsmaßnahmen (Rollenspiel, kognitives Lernprogramm, Bewältigungsstrategien) in Abhängigkeit soziodemographischer Variablen, Persönlichkeitsvariablen und medizinischer Diagnose angeboten. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde auch die Familie der Patientinnen und Patienten einbezogen.
3. Messinstrumente
Vor und nach erteilter Vorbereitung wurde mittels State-Trait-Anxiety-Inventory for Children (STAIC nach Spielberger 1972) Angst als Zustand und Angst als Persönlichkeitsvariable gemessen. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und Eltern beurteilten die operierten Kinder vor der Entlassung aus dem Krankenhaus mittels modifiziertem Verhaltens-Fragebogen nach Goldschmidt (1986) und Rasnake (1989). Einbezogen wurden weiters sowohl die verbalen als auch nichtverbalen Äußerungen der operierten Kinder bezüglich Angst und Furcht, genauso die Kooperationsbereitschaft des Kindes bei entsprechenden medizinischen Behandlungen, ebenso die Beobachtungen zusätzlicher Verhaltensdimensionen wie beispielweise Nahrungsverweigerung, Schlafstörungen, starke Anhänglichkeit etc.. Auch die Kinder gaben eine den genannten Dimensionen entsprechende Selbsteinschätzungen ab. Während des Aufenthalts der Kinder im Krankenhaus stand den kleinen Patientinnen und Patienten sowie deren Eltern ein Psychologe zur Seite.
4. Langfristige wirtschaftliche und persönliche Vorteile für Patient und Gesellschaft
Die Studie von Salmons (1992) bestätigt eine Kostenreduktion langfristiger therapeutischer Interventionen bei jungen Herzpatienten und deren Familien, wenn psychologische Begleitung vom Zeitpunkt der Operationsindikation angeboten wird. Ein generelles Umsetzen der im Projekt vorgezeigten Vorbereitungs- und Betreuungsmethoden wurde langfristig durchgeführt.
5. Ergebnisse
Es konnte eine hochsignifikante Reduktion (1 % Niveau) der Angstwerte sowohl im Zustands- als auch im Persönlichkeitsbereich der untersuchten Patienten durch die differenzierten psychologischen Vorbereitungsmethoden vor den kardiovaskulären chirurgischen Eingriffen gemessen werden. Sowohl Ärztinnen, Ärzte, Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, Eltern als auch die Patientinnen und Patienten selbst bestätigen unabhängig voneinander die erfolgreiche Wirkung der psychologischen Betreuung. An der Varianz der Kooperationsbereitschaft der Patientinnen und Patienten bei medizinischen Behandlungen hat der stationäre Aufenthalt eines Elternteils den größten Anteil (26,9 %), das angenehme Klima auf der Station 17,9 %, die psychologische Betreuung 18,9 %, die gute Kooperation zwischen medizinischer Behandlung und psychologischer Betreuung 23,9 %.