Mehr als 20 Prozent der Weltbevölkerung leiden an psychischen Erkrankungen. Laut einer Studie der Technischen Universität Dresden sind in Europa bzw. Österreich fast 40 Prozent der Bevölkerung psychisch krank – und diese Zahl steigt stetig an. Gerade bei akuten psychischen Krisen sind niederschwellige Unterstützungsangebote wichtig – so wie das Sozialpsychiatrische Ambulanzzentrum (SPAZ) am Neuromed Campus des Kepler Universitätsklinikums in Linz. Dieses feiert heuer sein 10-jähriges Bestehen.
Das Sozialpsychiatrische Ambulanzzentrum am Kepler Universitätsklinikum (SPAZ) hilft jenen Menschen, die in einer akuten psychischen Krise Hilfe benötigen. Angeboten werden sowohl medikamentöse Behandlung als auch psychosoziale Krisenintervention und Beratung. Das SPAZ-Angebot ist ein Bindeglied zwischen dem stationären und dem außerstationären Bereich, mit dem Ziel, nicht unbedingt notwendige stationäre Aufenthalte zu vermeiden und eine nahtlose Weitervermittlung zu Angeboten außerhalb des Krankenhauses zu gewährleisten.
Das Sozialpsychiatrische Ambulanzzentrum ist eine Kooperation zwischen pro mente OÖ und der Klinik für Psychiatrie 1 am Kepler Universitätsklinikum. Alleine im Jahr 2017 zählte das SPAZ (pro mente OÖ) rund 1800 Klientinnen- und Klientenkontakte – dabei ist das Zentrum nicht nur Anlaufstelle für Betroffene, sondern bietet auch Beratung für deren Angehörige.
Mag.a Christine Haberlander (Landesrätin):
„Das Sozialpsychiatrisches Ambulanzzentrum am Kepler Universitätsklinikum bietet seit mittlerweile 10 Jahren eine rasche Erstversorgung, die im Bedarfsfall auch auf außerstationäre Versorgungsangebote zurückgreifen kann. Dadurch kann aber auch der stationäre Bereich wirkungsvoll entlastet werden. Im Land OÖ forcieren wir gemeinsam mit der OÖ Gebietskrankenkasse Kooperationen zwischen dem stationären und extramuralen Bereich, weil dadurch der niederschwellige Zugang des Patienten bis hin zur stationären Vollversorgung gewährleistet werden kann.“
Birgit Gerstorfer (Landesrätin):
„Eine psychische Erkrankung stellt für Betroffene und Angehörige oft eine schier unlösbare Aufgabe dar. Leider gibt es immer noch eine starke Stigmatisierung psychisch kranker Menschen. Im Sozialpsychiatrischen Ambulanzzentrum bekommen sowohl Betroffene als auch Angehörige wertvolle Hilfe und Unterstützung. Besonders hervorzuheben ist, dass diese Hilfe niederschwellig und rasch erfolgt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im SPAZ sind sozusagen die Feuerwehr für Menschen in psychischen Krisen. Durch ihren Einsatz kann vielfach Schlimmeres abgewendet werden.“
MMag. Klaus Luger (Bürgermeister):
„Psychische Krisen können jeden treffen, unabhängig von Alter, Bildung, Beruf, Herkunft und sozialem Status. Umso wichtiger ist es, in Notsituationen die entsprechende Betreuung vorzufinden. Mit dem Linzer Sozialpsychiatrischen Ambulanzzentrum können wir zurecht sagen, dass wir eine hervorragende Betreuung in Linz vorfinden. Seit nun mittlerweile 10 Jahren steht mit dem SPAZ eine Einrichtung zur Verfügung, welche Personen in einer akuten Krise sowie auch deren Angehörige als erste Anlaufstelle dient. Professionelle und kompetente Betreuung für die Klientinnen und Klienten stehen dabei im Vordergrund. Mein Dank gilt dem hervorragenden Team, das diese Leistung möglich macht.“
Mag.a Dr.in Elgin Drda (Kaufmännische Direktorin, Kepler Universitätsklinikum):
„Die Psychiatrie ist der größte Fachbereich im Kepler Universitätsklinikum. Derzeit gibt es sechs Kliniken für Psychiatrie (Psychiatrie 1, Psychiatrie 2, Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin, Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt, Neurologisch-Psychiatrische Gerontologie und Kinder- und Jugendpsychiatrie) sowie ein Department für Psychosomatik und ein Institut für Psychotherapie. Die enge Zusammenarbeit mit pro mente OÖ hat sich sehr bewährt und ist ein Vorzeigebeispiel für eine exzellente Kooperation zwischen niedergelassenem und Spitalsbereich.“
Dr. Heinz Brock, MBA, MPH, MAS (Ärztlicher Direktor, Kepler Universitätsklinikum):
„Das SPAZ ist ein Vorzeigebespiel, das zeigt wie multiprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit im besten Fall funktionieren soll und kann. Patientinnen und Patienten profitieren von der Bündelung psychiatrischer und psychotherapeutischer Kompetenzen und erhalten Hilfestellung in Ausnahmesituationen und darüber hinaus. Sie werden auf ihrem Weg in und aus der Krise betreut und begleitet. So stehen etwa Wohnungsangebote oder eine mobile Betreuung zur Verfügung.“
Albert Maringer (Obmann, OÖ Gebietskrankenkasse):
„Psychische Erkrankungen können alle Menschen treffen – vom Kind bis zum Pensionisten. Die OÖGKK investiert daher viel in die psychische Gesundheit ihrer Versicherten. Das Sozialpsychiatrische Ambulanzzentrum nimmt aus Sicht der Gebietskrankenkasse einen besonderen Platz in unserer vielschichtigen Versorgungslandschaft ein: Sie hilft niederschwellig, sofort und umfassend. Viele stationäre Aufenthalte können so vermieden werden, wovon sowohl die Betroffenen als auch das Versicherungssystem profitieren. Wir leisten im Interesse der Versichertengemeinschaft gerne unseren Beitrag zum SPAZ.“
Simone Pollhammer, MBA (Pflegedirektorin, Kepler Universitätsklinikum):
„Der Nutzen für unsere Patientinnen und Patienten liegt klar auf der Hand: Die Versorgung wird durch die abgestimmten Prozesse in Organisation und Behandlung weiter verbessert. Auch das Aufnahme-, Betten- und Entlassungsmanagement wird durch die interprofessionelle Herangehensweise optimiert.“
„Die Patientinnen und Patienten kommen zuerst in die Psychiatrische Aufnahme, die 24 Stunden erreichbar ist. Danach wird abgeklärt, ob die Patientin oder der Patient stationär aufgenommen werden soll. Die Besonderheit des Sozialpsychiatrischen Ambulanzzentrums ist, dass es Psychiatrische Aufnahme und Ambulanzzentrum in einem vereint. Somit sind wir Anlaufstelle für allgemein psychiatrische Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 70 Jahren. Auch der Zuweisungskontext ist unterschiedlich. Von der Patientin/dem Patienten, die/der von sich aus in die Aufnahme kommt, über die Patientin/den Patienten, die/der von der Hausärztin/vom Hausarzt bzw. von der Fachärztin/vom Facharzt überwiesen wird bis hin zu Menschen, die fremd- und/oder selbstgefährdet sind und mit Barriere, also Polizeibegleitung, bei uns erscheinen. Die häufigsten Diagnosen im SPAZ sind Anpassungsstörung, Depressionen, Panikattacken, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen, psychotische Symptome, Schizophrenie und organisch affektive Störungen. Tendenziell bemerken wir aber, dass vermehrt die alltäglichen Anforderungen und der gesellschaftliche Leistungsdruck, vor allem im Berufsleben, die vielen Doppelt- und Mehrfachbelastungen immer öfter zu Anpassungsstörungen und Erschöpfungsdepression, besser bekannt als Burnout, führen“, sagt Birgit Dürk, DSA, pro mente OÖ-Teamleiterin des Sozialpsychiatrischen Ambulanzzentrums.
Entscheidet die Aufnahmeärztin oder der Aufnahmearzt, dass die Patientin bzw. der Patient nicht aufgenommen, sondern ambulant betreut wird, hat sie/er die Möglichkeit, ihr/ihm sehr zeitnah, oder wenn nötig unmittelbar nach dem Arzttermin, beim SPAZ im Journaldienst einen Termin zu geben.
Die Kernaufgaben liegen in der Krisenintervention, psychosozialen Beratung, Psychoedukation, Sozialarbeit, Angehörigenberatung und in der Weitervermittlung an externe Angebote.
Die gute Zusammenarbeit und tägliche Absprache zwischen Ärztinnen und Ärzten des Kepler Universitätsklinikums und pro mente OÖ-Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern ermöglicht eine unmittelbare und optimale Versorgung für die Patientinnen und Patienten. Das heißt auch, dass auf Veränderungen des Gesundheitszustandes prompt reagiert werden kann. In vielen Fällen kann somit eine stationäre Aufnahme verhindert werden.
Die SPAZ-Angebote sind vielschichtig, hier arbeiten Psychologinnen und Psychologen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten eng mit Ärztinnen und Ärzten sowie Pflegepersonal zusammen. Die Leistungen werden grundsätzlich persönlich („face-to-face“) erbracht.
Die unkomplizierte und sehr zeitnahe Unterstützung ermöglicht den Patientinnen und Patienten gleichzeitig einerseits mit der medikamentösen Behandlung zu beginnen, anderseits bietet das pro mente OÖ-Team ihr/ihm sofort Entlastungsgespräche an, unterstützt sie/ihn, ihre/seine Ressourcen zu erkennen und zu aktivieren. Dies verhindert eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes bzw. Chronifizierung.
In geschätzten 15 Prozent der Klientinnen-/Klientenfälle reichen vier Gespräche aus, um die Patientinnen und Patienten wieder soweit zu stabilisieren, dass keine weiterführenden Beratungsgespräche notwendig sind. Oftmals werden Klientinnen und Klienten aber erst einmal darin unterstützt, die „Spitze der Krise“ zu bewältigen und man bereitet mit ihnen gemeinsam den Weg zu einer längerfristigen Psychotherapie, psychosozialen Beratung bzw. Betreuung oder Begleitung vor.
Studien haben gezeigt, dass Modelle wie das Sozialpsychiatrische Ambulanzzentrum, zwei Drittel der stationären Behandlungstage und 50 Prozent der Behandlungskosten reduzieren können (Quelle: Universimed, Zeitschrift „Neurologie & Psychiatrie).
„Das Besondere an dem SPAZ-Angebot ist, dass das Team einerseits aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Kepler Universitätsklinikums besteht, die auf Psychiatrie spezialisiert sind und andererseits Personen von pro mente OÖ, die ihren Schwerpunkt in der psychosozialen Versorgung, Betreuung und Beratung haben. Somit werden die Hilfesuchenden nicht hin und her geschickt, da hier alle Kompetenzen gebündelt sind. Das SPAZ ist somit eine besonders innovative Einrichtung, die eine massive Lücke in der psychosozialen Versorgung schließt“, sagt Prim. Dr. Kurosch Yazdi, Leiter des Klinikzentrums Psychiatrie des Kepler Universitätsklinikum und Stv.-Vorstandsvorsitzender von pro mente OÖ. „Die Sozialpsychiatrischen Ambulanzzentren sind vor allem auch Clearingstellen, die gut vernetzt sind und den Betroffenen umgehend weiterhelfen können. Die weiteren Angebote von pro mente OÖ spielen dabei eine wichtige Rolle: psychosoziale Beratungsstellen, Suchtberatungsstellen, psychosoziale Tageszentren als niederschwellige (Erst-)Anlaufstellen, niederschwellige Beschäftigungseinrichtungen, unterschiedlichste Wohnangebote, Angebote für fähigkeitsorientierte Aktivitäten („Tagesstrukturen“), mobile Betreuung und Hilfe und natürlich die Krisenhilfe OÖ. Ein Ausbau der sozialpsychiatrischen Ambulanzzentren wäre sinnvoll und würde längerfristig Kosten im Gesundheitsbereich sparen.“